PRINTED MATTERS
April–June
Gesso Artspace
Donaufelder Straße 73-79
Vienna, Austria
Vienna, Austria
Printed Matters, Text zur Ausstellung
Marcel Duchamp stellt die Weichen für einen Übergang zwischen Kunst und Alltag mit dem Cover des vierteljährlich erscheinenden Magazins Transition, das er 1937 mit einer Reproduktion seines Readymades comb, einem in Kunst überführten Alltagsgegenstand, zu einem Kunstwerk macht. Das kegelförmige Trafik Zeichen am Katalog Surrealist Intrusion ist keine Reproduktion. Der Druck per se ist das Readymade. In beiden Fällen ermöglicht Duchamp einem breiten Publikum Kunstbesitz. In diesem Sinne liegen auch Francis Alÿs Postkarten als eigenständige Arbeit in Ausstellungen auf, um mitgenommen und verbreitet zu werden. Verteilung und Multiplikation von Informationen und Wissen und somit ein geradezu aufklärerisches und demokratisches Potenzial prägt Druckgrafik in ihrer Geschichte. Plakate können gar ein politisches Agitationsmittel für KünstlerInnen wie Klaus Staeck sein, der außerdem mit
seinem Produzentenverlag die Publikation von Werken seiner Kollegen realisiert. Marcel Broodthaers initiiert 1968 das Musée de l'Art Moderne, Département des Aigles (Museum der Moderne, Abteilung der Adler) in seiner Privatwohnung. Über die Teilhabe am alltäglichen Leben stellen die Drucke die Institution Museum von innen in Frage. Die Publikation zu einer Ausstellung konzipiert Broodthaers, der nicht zuletzt über die Deutung eines Buches als Objekt vom Dichter zum bildenden Künstler wurde,1 als Kunstwerk bestehend aus bedruckten Boxen in Boxen. Die Objekthaftigkeit eines Künstlerbuchs tritt im Ausstellungskontext besonders hervor. Die Lesbarkeit tritt in den Hintergrund. So verschieben sich die Texte zu Jorge Pardos Arbeit auf den Oberflächen mehrerer, ineinander enthaltener Boxen und gehen vom Außen zum Innen. Der Grafiker Pieter Brattinger füllt eine quadratische Box mit reproduzierten Rechnungen aus aller Welt. Er erhebt so in einem Umkehrschluss ein Alltagsprodukt ausgerechnet durch die Vervielfältigung zum Kunstwerk. Wade Guytons Künstlerbuch Black Paintings setzt sich, so wie die gleichnamigen Malereien, medienreflexiv mit dem Phänomen der Vervielfältigung auseinander. Die Bücher und die Gemälde wurden mit demselben Drucker gedruckt. Dieser übersetzt die digitale Datei und bestimmt das Erzeugnis zum Beispiel durch unvorhersehbare Störungen mit. „As it is copied and communicated, discrepancies are produced. And these are what now stand in for painting.“2 Das Monochrom wird dabei von Guyton entgegen der modernistischen Unantastbarkeit als Readymade verstanden.3 Die medienspezifische Wiederholung greift Jakob Schieche in seinem Holzschnitt ohne Titel auf. Er überlagert die, diese Drucktechnik auszeichnende, Maserung des Holzes mit der Struktur der Rinde, die er exakt in den Druckstock einschneidet. Im Druck wird die natürlich gewachsene und die geschnitzt abgebildete Struktur auf eine Ebene gebracht. Der Druckstock selbst wird zum Objekt mit inhärentem Potenzial zur Bildproduktion. Dass diese überraschend unkompliziert sein kann, zeigt auch die Serie von Erika Schneider,
die mit wenigen Kartoffeln eine hohe Variabilität an farbkräftigen Kompositionen erzeugt. Umgekehrt passiert die visuelle Wahrnehmung gedruckter Arbeiten im öffentlichen Raum oft wie beiläufig. In der Pariser Metro werden leere Plakatwände mit einer subtilen, grafischen Arbeit von Les Graphiquants gefüllt, deren Stärke gerade in ihrer Simplizität besteht. Noch mehr Menschen können an Peter Tyndalls Blog, dem mittlerweile einzigen, stets unabgeschlossenen Projekt des Künstlers, teilhaben. Jeder ist eingeladen, selbst http://blogos-haha.blogspot.com.au zu besuchen und so man will, auszudrucken. Druckgrafik steht in regem Austausch mit anderen Medien und ermöglicht die Partizipation Vieler an einem Kunstwerk. Eine Kopie ist sie dabei nie. Vielmehr ist sie „das multiplizierbare Original, (...) das in und mit den druckgrafischen Mitteln gedachte und umgesetzte bildnerische Konzept.“4
seinem Produzentenverlag die Publikation von Werken seiner Kollegen realisiert. Marcel Broodthaers initiiert 1968 das Musée de l'Art Moderne, Département des Aigles (Museum der Moderne, Abteilung der Adler) in seiner Privatwohnung. Über die Teilhabe am alltäglichen Leben stellen die Drucke die Institution Museum von innen in Frage. Die Publikation zu einer Ausstellung konzipiert Broodthaers, der nicht zuletzt über die Deutung eines Buches als Objekt vom Dichter zum bildenden Künstler wurde,1 als Kunstwerk bestehend aus bedruckten Boxen in Boxen. Die Objekthaftigkeit eines Künstlerbuchs tritt im Ausstellungskontext besonders hervor. Die Lesbarkeit tritt in den Hintergrund. So verschieben sich die Texte zu Jorge Pardos Arbeit auf den Oberflächen mehrerer, ineinander enthaltener Boxen und gehen vom Außen zum Innen. Der Grafiker Pieter Brattinger füllt eine quadratische Box mit reproduzierten Rechnungen aus aller Welt. Er erhebt so in einem Umkehrschluss ein Alltagsprodukt ausgerechnet durch die Vervielfältigung zum Kunstwerk. Wade Guytons Künstlerbuch Black Paintings setzt sich, so wie die gleichnamigen Malereien, medienreflexiv mit dem Phänomen der Vervielfältigung auseinander. Die Bücher und die Gemälde wurden mit demselben Drucker gedruckt. Dieser übersetzt die digitale Datei und bestimmt das Erzeugnis zum Beispiel durch unvorhersehbare Störungen mit. „As it is copied and communicated, discrepancies are produced. And these are what now stand in for painting.“2 Das Monochrom wird dabei von Guyton entgegen der modernistischen Unantastbarkeit als Readymade verstanden.3 Die medienspezifische Wiederholung greift Jakob Schieche in seinem Holzschnitt ohne Titel auf. Er überlagert die, diese Drucktechnik auszeichnende, Maserung des Holzes mit der Struktur der Rinde, die er exakt in den Druckstock einschneidet. Im Druck wird die natürlich gewachsene und die geschnitzt abgebildete Struktur auf eine Ebene gebracht. Der Druckstock selbst wird zum Objekt mit inhärentem Potenzial zur Bildproduktion. Dass diese überraschend unkompliziert sein kann, zeigt auch die Serie von Erika Schneider,
die mit wenigen Kartoffeln eine hohe Variabilität an farbkräftigen Kompositionen erzeugt. Umgekehrt passiert die visuelle Wahrnehmung gedruckter Arbeiten im öffentlichen Raum oft wie beiläufig. In der Pariser Metro werden leere Plakatwände mit einer subtilen, grafischen Arbeit von Les Graphiquants gefüllt, deren Stärke gerade in ihrer Simplizität besteht. Noch mehr Menschen können an Peter Tyndalls Blog, dem mittlerweile einzigen, stets unabgeschlossenen Projekt des Künstlers, teilhaben. Jeder ist eingeladen, selbst http://blogos-haha.blogspot.com.au zu besuchen und so man will, auszudrucken. Druckgrafik steht in regem Austausch mit anderen Medien und ermöglicht die Partizipation Vieler an einem Kunstwerk. Eine Kopie ist sie dabei nie. Vielmehr ist sie „das multiplizierbare Original, (...) das in und mit den druckgrafischen Mitteln gedachte und umgesetzte bildnerische Konzept.“4
Gesso Artspace
Zusammengestellt von: Andreas Reiter Raabe
Zusammengestellt von: Andreas Reiter Raabe
1 Michael Glasmeier, Weitere Würfelwürfe-Offset; in: Künstlerbücher/Artist’s Books. Zwischen Werk undStatement, Gabriele Koller/Martin Zeiller (Hg.), Universität für angewandte Kunst Wien 2001, S. 37.
2 John Kelsey, in: Wade Guyton, Black Paintings, Portikus, Frankfurt 2011.
3 Scott Rothkopf, Wade Guyton. The New Black; in: Parkett 83, 2008, S. 78-79.
4 Georg Lebzelter, Multiple matters – Grafische Konzepte,http://www.umdruck.at/detail/article/multiplematters-
grafische-konzepte/, 25. 3. 2015.
3 Scott Rothkopf, Wade Guyton. The New Black; in: Parkett 83, 2008, S. 78-79.
4 Georg Lebzelter, Multiple matters – Grafische Konzepte,http://www.umdruck.at/detail/article/multiplematters-
grafische-konzepte/, 25. 3. 2015.
detail
A Person Looks At A Work Of Art/
someone looks at something...
LOGOS/HA HA
A Person Looks At A Work Of Art/
someone looks at something...
LOGOS/HA HA